Liebe Patienten!
Immer
wieder werden in der Laienpresse oder in Büchern Behauptungen
veröffentlicht, die zu erheblicher Verunsicherung der Betroffenen
beitragen.
Auf einige dieser Themen möchte ich näher eingehen.
Viele Frauen meinen, die Wechseljahre
wären ein natürlicher Zustand: das stimmt so nicht! In den
letzten Jahrhunderten lag die mittlere Lebenserwartung der Frauen
zwischen 45 und 55 Jahren. Von der Natur ist es nicht vorgesehen,
daß eine Frau längere Zeit in den Wechseljahren verbringt,
denn sie starb meist vorher an allen möglichen Krankheiten. Aus
der Entwicklung der Arten ist außerdem bekannt, daß ein
Lebewesen für die Natur nur solange interessant ist, wie es sich
vermehren kann. Auch deshalb ist ein längeres Überleben nach
den Wechseljahren nicht vorgesehen gewesen. Erst in der 2. Hälfte
des 20. Jahrhunderts stieg die Lebenserwartung in den
Industrieländern durch rasante Entwicklung der Medizin derart
drastisch an, daß Frauen nun (neuerdings) mehrere Jahrzehnte in
den Wechseljahren überleben, d.h. mit Östrogenmangel. Dieser
kann nun negative Auswirkungen haben wie Knochenschwund und Zunahme der
Arteriosklerose. Deshalb hat man vor Jahren gedacht, es sei sinnvoll,
allen Frauen nach den Wechseljahren Östrogene zu geben. Leider hat
sich in Langzeitstudien nicht bestätigt, daß positive
Effekte regelmäßig nachzuweisen wären, andererseits
wurde eine gewisse Brustkrebshäufung gefunden. Es bekommen ohne
Hormongabe 45 von 1000 Frauen einen Brustkrebs, nach 5 Jahren
Hormongabe 47, nach 10 Jahren 51 von 1000, also 6 mehr als ohne
Hormone. Nachdem diese Ergebnisse aus einer großen Langzeitstudie
bekannt wurden, haben sich die Empfehlungen zur Hormongabe
geändert.
- Frauen ohne Risiko für Osteoporose und ohne Wechseljahresbeschwerden sollten keine Hormone erhalten.
- bei Frauen mit relativ geringen Beschwerden und Risikofaktoren ist im Einzelfall zu entscheiden
- Frauen mit starken Beschwerden können natürlich weiter Hormone erhalten (unter entspechenden Kontrollen)
Mit der drastisch
gestiegenen Lebenserwartung sind nun auch andere Erkrankungen wichtig
geworden, die früher keine Bedeutung hatten, da die Menschen an
anderen Krankheiten wie Infektionen o.ä. in jüngeren Jahren
starben:
z.B. der Bluthochdruck:
bei den meisten Patienten ist diese Erkrankung in den Genen vorhanden
und kommt etwa zwischen dem 40. und 60 Lebensjahr zum Ausbruch, d.h.
die Blutdruckwerte steigen immer weiter an und damit das Risiko
für Gefäßschäden mit der Folge von Schlaganfall
oder Herzinfarkt nach Jahren im höheren Lebensalter. In Afrika
liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 49 Jahren. Dort spielt
Bluthochdruck natürlich keine Rolle. Ähnlich verhält es
sich mit dem sogenannten Alterszucker und der Cholesterinerhöhung:
diese Störungen konnten sich im Erbgut halten, weil noch bis in
die Mitte des 20. Jahrhunderts kaum jemand ein Lebensalter erreichte,
in dem diese Krankheiten relevant wurden. Für die Entwicklung der
Arten nach Darwin waren sie daher ohne Bedeutung und wurden nicht
herausselektiert.
Das trifft auch für ein anderes Problem zu, das heute große Bedeutung erlangt hat: viele Menschen leiden unter Übergewicht,
weil sie die Nahrungskalorien gut ausnutzen und genug (oder zuviel) zu
essen haben. In der Entwicklung der Menschheit war dieses genetische
Merkmal immer von Nutzen, die betroffenen Menschen hatten in
Hungerzeiten einen Überlebensvorteil. Heute müssen sie meist
lebenslang gegen ihr Übergewicht kämpfen.
Doch nicht nur die
Krankheiten und Ernährungsbedingungen haben sich geändert,
sondern unsere gesamte Umwelt und Lebensweise:
vergleicht man die
Welt seit Beginn der Zeitrechnung bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts
mit heute, dann wird klar, daß sich extreme Veränderungen
erst in den letzten hundert Jahren ergeben haben. Der Mensch hat sich
in den letzten 10 000 Jahren sicher nicht so entwickelt, um in unserer
heutigen Umwelt zu leben. Wir leiden vor allem unter einer massiven
Überforderung unseres Geistes, da wir schon im alltäglichen
Leben hundertfache Informationen verarbeiten müssen im Vergleich
zu einem Menschen vor 100 Jahren. Aber auch die ständige
Information über Krieg und Leid in der ganzen Welt belastet unsere
Seele massiv. Frühere klare Werte haben ihre Bedeutung verloren,
die Wissenschaft hat für unser menschliches Dasein mehr Fragen
aufgeworfen als beantwortet.
So ist unsere heutige Zeit belastender als je eine zuvor, von Kriegszeiten und Seuchen einmal abgesehen.
Wen wundert es da,
daß sich viele Menschen krank fühlen, besonders wenn sie
auch wissen, daß es tausende von Krankheiten gibt?
Es wurde in letzter
Zeit behauptet. Pharmaindustrie und auch Ärzte hätten
Krankheiten erfunden, um daran zu verdienen (z.B. Osteoporose). Das
stimmt so sicher nicht: es gibt heute viele Krankheiten, die in der
Vergangenheit wegen viel kürzerer Lebenserwartung einfach keine
Rolle spielten. Und die WHO definiert Gesundheit als einen Zustand ohne
Beschwerden im körperlichen, seelischen oder sozialen Bereich.
Wer ist da heute noch wirklich gesund?